Gestern ging in Mailand die „Milano Moda Uomo“ zu Ende. Die Herrenmode-Woche in der norditalienischen Fashion-Metropole bot Highlights wie das ebenso puristische wie – zumindest backstage – emotionale Comeback Jil Sanders oder Miuccia Pradas Unisex-Kollektion sowie Performance-Überraschungen wie Dolce & Gabbanas Sizilien-Nostalgia mit Laien-Models.
Das Bindeglied zwischen fast allen der über 40 Kollektionen war eine in der Herrenmode so bisher kaum gesehene Farbigkeit und Fröhlichkeit. Die kommerzielle Attraktivität der Messe scheint dieser Idee von Optimismus vordergründig recht zu geben: Neben Lifestyle-Presse und Designern waren rund 9.000 Einkäufer führender internationaler Handelshäuser zur „Milano Moda Uomo“ angereist.
Europäisches Geschäft stagniert – mit Ausnahme von Deutschland
Hinter den Kulissen geben sich Italiens Modemacher weit weniger optimistisch. Die Branche befürchtet eine neue Krise, in der nur die Marken überleben, die ihre Kollektionen global und möglichst außerhalb Europas exportieren können. Carlalberto Corneliani, der am letzten Samstag die Eröffnungs-Schau des Events bestritt, nannte Indikatoren für sein eigenes Label: 75 Prozent seiner Umsätze generiere er inzwischen in den USA, China oder Japan – gegenüber 55 Prozent noch vor drei Jahren.
Zur „Milano Moda Uomo“ freute er sich darüber, dass auch seine „Übersee“-Kunden vollzählig gekommen waren, da das europäische Geschäft mit Ausnahme von Deutschland stagniere oder sich verkleinere.
Einbruch des italienischen Fashion-Marktes
Italien ist traditionell ein Land, in dem Mode – quer durch alle Schichten – einen hohen kulturellen Stellenwert besitzt. Bisher konnte die Branche mit verlässlichem Umsatzwachstum durch einheimische Kunden rechnen. Außerdem hat Italien seine Textilindustrie nie in Billiglohn-Länder ausgelagert – deren Premium-Qualität und Autarkie galten im europäischen Vergleich bisher als ein kommerzieller Pluspunkt.
Gerade deshalb trifft die Krise die italienischen Textilhersteller jetzt mit voller Härte. Laut Gregorio Felice vom Bankhaus „Intesa Sanpaolo“ ist der Inlandsumsatz von Januar bis April 2012 um etwa zwölf Prozent eingebrochen, der Export dagegen um 3,4 Prozent gewachsen. Die Exporte gehen – mit einem Umsatzplus von knapp elf Prozent – vorrangig in Länder außerhalb Europas, die Spitzenposition dabei hält China mit einem Exportzuwachs von rund 30 Prozent.
Und: Es geht dabei nicht nur um die wirtschaftliche Position von Armani oder Prada. Nach Angaben des italienischen Mode-Verbandes „Sistema Moda Italiana“ erwirtschaften die großen Hersteller ab 250 Mitarbeitern bereits knapp 50 Prozent ihrer Umsätze im Ausland, bei kleineren Unternehmen sind es gerade einmal 26 Prozent.
Italienische Zulieferer – beispielsweise Manufakturen für exklusive Stoffe – sind dagegen nach der „Milano Moda Uomo“ verhalten optimistisch, die Messe habe einmal die handwerkliche Mode-Tradition Italiens eindrucksvoll demonstriert. Auch hier gilt allerdings, dass die Unternehmen ohne den Ausbau ihres Exportgeschäfts nicht auf Dauer überleben können.
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