Die Haute Couture-Woche in Paris ist zu Ende. Bis gestern präsentierten die großen und exklusiven Modehäuser und Designer in der Seine-Stadt ihre Kollektionen für die Herbst- und Winter-Saison 2010/11.
Erste Fazits bescheinigten den gezeigten Kollektionen hinreißende Handwerkskunst und meist auch Tragbarkeit (sofern letztere als Kriterium für Exklusiv-Couture überhaut herangezogen werden kann). Im Fokus stand am letzten Tag der Pariser Schauen die neue Kollektion des franzöischen Altmeisters Jean-Paul Gaultier.
Jean-Paul Gaultier im Zeichen des gallischen Hahns
Auch das – neben dem abwesenden John Galliano – zweite Enfant terrible der Pariser Modeszene hatte seiner Kollektion Alltagstauglichkeit auf Exklusiv-Niveau verordnet. Seine Schau am Mittwoch war eines der letzten Highlights der Pariser Fashion Week und stand ganz unter dem Zeichen des Hahns beziehungsweise dem mehrsprachig apostrophierten Motto „Kikeriki“. Übergreifend ging es um die Leichtigkeit und Beweglichkeit von Vögeln. Ob Nadelsteifen für die Dame oder elegantes schwarzes Jersey-Abendkleid – alle Gaultier-Kreationen zeichneten sich durch fließende Schnitte und Bewegungsfreiheit aus.
Bei den auffälligeren Teilen kam dann Gaultiers Vogel-Motto – übrigens durch das russische Ballett und Stücke wie Strawinskys „Feuervogel inspiriert – explizit zum Tragen. Schillernde Federkleider und opulente Farben, Federröcke auch für Männer und Herrenmäntel im Military-Schnitt aus dem gleichen zarten Material – Jean-Paul Gaultier brachte den gallischen Hahn in seiner Schau explizit zum Krähen (respektive Rocken). Zeitgleich präsentierte der Meister wenige Häuser weiter seinen neuen Herrenduft „Kokoriko“ – also die französische-opulente Version des Hahnen-Krähens. Auch die Parfüm-Show gab sich gefiedert (und lasziv) – die Presse sprach später liebevoll-ironisch vom Hahn als dem Kern von Gaultiers neuem Männerbild.
Expressive Femininität und stilistische Offenheit
Die Haute Couture-Schauen in Paris sind immer auch ein Trendindikator für die gesamte Modewelt. Die Trendspirale beginnt sich ab jetzt zu drehen – der ästhetische Fokus der Premium-Kollektionen wird bald auch in den nachfolgenden Prêt-à-Porter-Schauen zu sehen sein und danach alltäglichere Labels erreichen. Auf den Punkt gebracht, besteht er in dieser Saison vielleicht aus expressiver Femininität und stilistischer Offenheit – nicht das Diktat der Mode, sondern ihre Vielfalt stand im Vordergrund.
Sicher haben hierzu auch – spätestens nach der Paris Fashion Week prominente – Jung-Designer wie Iris van Herpen oder Giambattista Valli beigetragen. Aber auch bei den gestandenen Design-Stars gab es Paradigmenwechsel – Beispiel: der Libanese Elie Saab. In den vergangenen Jahren repräsentierte seine Mode offensiven und fast aggressiven Glamour. Als sein Credo zur kommenden Saison zeigte er eine zurückgenommene (deshalb allerdings nicht weniger glamouröse) Kollektion. Hauchzarte Abendkleider mit kunstvollen Stickereien, mädchenhafte Spitzenkleider und dezentes Goldbeige und Hellblau ließen seine Models federleicht erscheinen – und im Vergleich zum gallischen Hahn fragil.
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