Star-Designer Jean Paul Gaultier verteidigte in einem Interview mit dem französischen Magazin „Madame Figaro“ die kreative Leistung des in der Branche in Ungnade gefallenen ehemaligen Dior-Chefdesigners John Galliano. Aus seiner Sicht wurde Galliano ein „Opfer des Systems und seines eigenen Ruhmes“. John Galliano war im Februar nach rassistischen Pöbeleien in einer Pariser Bar von Dior entlassen worden. Der Designer bereute die Ausfälle inzwischen mehrfach öffentlich – dabei verwies er unter anderem auf Erschöpfung und völlige Überarbeitung durch seine Arbeit für die Marken „Dior“ und „John Galliano“. Ein Pariser Gericht fällte im September ein mildes Urteil und setzte eine Geldbuße von 6.000 Euro zur Bewährung aus.
Nicht nur der frühere Arbeitgeber Dior, sondern die gesamte Branche distanzierte sich bis auf wenige Ausnahmen – etwa Kate Moss – von dem früher gefeierten „Enfant terrible“: John Galliano ist heute bis auf die Medienreaktionen zu seinen Gerichtsterminen sowie die Spekulationen über seinen Nachfolger bei Dior für die „offizielle Modeszene“ praktisch nicht mehr existent.
Plädoyer für Gallianos kreative Leistung
Jean Paul Gaultier war bereits im Februar der einzige Branchen-Prominente, der sich öffentlich pro Galliano zu Wort gemeldet hatte. Gegenüber „Madame Figaro“ plädierte er jetzt dafür, sich nicht nur an den – nicht zu verteidigenden – Eklat, sondern auch an die kreative Leistung des Designers zu erinnern. Wenn jemand von den Kameras derart gejagt werde wie John Galliano, geschehe es sehr schnell, dass derjenige sein Ziel aus den Augen verliere – etwas, was auch vielen Schauspielern passiert. Gaultiers Fazit – John Galliano sei unter anderem ein Opfer des Systems – klang in früheren Medien-Kommentaren auch unter einem anderen Gesichtspunkt an: Demnach ging mit dem Abgang John Gallianos auch die Ära der kreativen Exzentriker in der Pariser Couture zu Ende – angesagt ist heute vor allem die Marketing- und Business-Kompatibilität der Designer und ihrer Kollektionen.
Schwerer Anfang vor aller Prominenz
Azzedine Alaia erinnerte – vor dem gleichem Hintergrund – an die Anfangsjahre Gallianos. Der spätere Fashion-Star lebte zu dieser Zeit „fast auf der Straße“, entwarf seine exzentrischen Kreationen in einem kleinen Truck und war weitgehend pleite. Ein gemeinsamer Freund bat Alaia deshalb um Hilfe, die dieser auch spontan gewähre – Galliano solle einfach zu ihm kommen. Alaia schlug in der Branche später einen grundsätzlich anderen Weg ein als John Galliano: Der Tunesier gilt bis heute als extrem medienscheu und vor allem als unabhängig gegenüber der Couture, zu der er durch seine Kreationen de facto seit langer Zeit gehört. Als „offiziell anerkannten“ Couturier bestätigte ihn die Pariser Chambre Syndicale jedoch erst in diesem Sommer.
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