Parallel zu den Pariser Haute Couture-Schauen präsentierte letzte Woche auch das Avantgarde-Label Maison Martin Margiela eine aktuelle Fashion-Linie. Maison Martin Margiela steht für einen experimentellen und sehr kreativen Umgang mit Form und Material sowie die Verbindung von Mode mit kontinuierlich gesammelten „Utensilien“ des jeweiligen Zeitgeistes. In der Artisanal Kollektion für die Spring-Summer-Saison 2012 finden sich unter anderem Makramé-Elemente, Freundschaftsbändchen oder auch Teile von Champagnerflaschen – letztere als Ausgangsmaterial für Margielas „Tabi“-Schuhe.
Auch die Artisanal Kollektion von Maison Martin Margiela steht für die hohe Schneiderkunst der Haute Couture. Das Label ist seit 2006 korrespondierendes Mitglied des französischen Haute-Couture-Verbandes, präsentiert seine Arbeiten jedoch grundsätzlich nicht im Rahmen der offiziellen Schauen.
Avantgarde-Mode, Stories und Geschichte
Die Artisanal Kollektion für den nächsten Sommer umfasst insgesamt 14 Kreationen. Die teilweise sehr filigranen Roben werden im Pariser Atelier von Maison Martin Margiela handgefertigt. Entsprechend der konsequent umgesetzten Philosophie des Labels, seine Mode nicht zu personalisieren, erschienen die Margiela-Models mit zart verhüllten Gesichtern auf dem Runway. Der Avantgarde-Charakter der Artisanal Kollektion wird weniger durch spektakuläre Silhouetten, sondern die Kombination von fast minimalistischer Schnittführung mit ungewöhnlichen Materialien und Unikaten, die eine eigene Geschichte haben, getragen.
In der aktuellen Linie wurden beispielsweise historische Kopfkissenbezüge verarbeitet, die je nach Material – Seide oder Nylon – aus dem ersten oder zweiten Weltkrieg stammen und von US-amerikanischen Soldaten mit persönlichen Notizen oder auch Propaganda-Bildern versehen und an ihre Familien geschickt wurden. An einem anderen Outfit – einem schwarzen Anzug – erinnerten nicht nur der Schnitt des Unikats, sondern auch die Stickereien aus Perlmuttknöpfen an die „Uniform“ der „Pearly Kings“, eine Wohltätigkeitsorganisation, die am Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet wurde.
Martin Margiela: Kleidung ist Konstruktion
Der belgische Designer Martin Margiela gründete das Label 1988 in Paris. Der extrem öffentlichkeitsscheue Kreative gilt als extremer Modernist der Fashion-Welt und wollte mit seinen Kreationen unter anderem den Konstruktions-Charakter von Kleidung deutlich machen. Mode-Experten nennen seinen designerischen Ansatz in einem Atemzug mit den Konzepten japanischer Mode-Avantgardisten wie Yohji Yamamoto oder Rei Kawakubo.
Maison Martin Margiela wurde 2002 von Diesel übernommen – die Kollektionen werden heute von einem Designer-Team entworfen, das sich grundsätzlich am ästhetischen Konzept Martin Margielas orientiert. Der Designer verließ sein Label im Jahr 2009, nachdem der Widerspruch zwischen seinem Avantgarde-Konzept und den kommerziellen Anforderungen von Diesel offenbar unüberbrückbar wurde.
Kommentiere als erstes!