Zum Start der Milano Fashion Week gab die Chefredakteurin der italienischen „Vogue„, Franca Sozzani, dem amerikanischen Online-Journal „Huffington Post“ ein recht umfangreiches Interview. Darin äußerte sich die angesehene Mode-Journalistin nicht nur zum aktuellen Mailänder Fashion-Event, sondern auch zur Förderung neuer Talente, ihr Verhältnis zu „Vogue“-Chefin Anna Wintour sowie ihre Sicht auf die „Causa Galliano“ und Marc Jacobs als möglichen neuen Chefdesigner des Hauses Dior.
Franca Sozzani ist seit Jahren als engagierte, kritische Medienvertreterin bekannt, in der Vergangenheit sorgte sie bereits mehr als einmal für kontroverse Diskussionen – etwa zum Thema zu junger und/oder zu dünner Mädchen auf dem Laufsteg oder der Situation farbiger Models in der Branche. Generell plädierte sie jetzt dafür, ein System zu schaffen, in denen Talente – herkunftsunabhängig und gleichgültig, ob Models oder Designer – ihr Potential entwickeln können. Auch deshalb ist sie inzwischen als die erste Good-will Botschafterin der Kampagne „Fashion 4 Development“ tätig, die Business, Diplomatie, Medien und Kreative zusammenbringen will, um globale Partnerschaften durch Fashion zu ermöglichen.
Design-Star der Milano Fashion Week: Muccia Prada
Eindeutige Design-Favoritin Franca Sozzanis auf der Milano Fashion Week ist Miuccia Prada, nicht zuletzt deshalb, weil alle Prada-Kollektionen etwas völlig Neues und Eigenständiges sind. Neben den großen und etablierten italienischen Labels – etwa Gucci, Fendi oder Dolce & Gabbana – freue sie sich auch über Newcomer auf der Fashion Week, die in diesem Jahr allerdings kaum vertreten sind. Sozzani merkte dazu an, dass dies auch natürlich sei und nicht in jeder Saison ein neues großes Talent gefunden werden könne. Mit ihrem Nachwuchs-Wettbewerb „Who Is On Next“ biete die italienische „Vogue“ jungen Designern jedoch ein gutes Sprungbrett, durch das fast alle heute prominenten Vertreter der jüngeren Generation italienischer Designer ihre Karriere begonnen haben.
„Vogue USA“ versus „Vogue Italien“ – verschiedene Kulturen
Im Zentrum ihrer Arbeit stand für Franca Sozzani Italien und die italienische Idee von Mode – für diese Eigenständigkeit lege sie sich, falls nötig auch mit Anna Wintour an, die sie grundsätzlich schätze – Hintergrund von Kontroversen sind vor allem verschiedene Auffassungen von „Political Correctness“. Interessant war in diesem Zusammenhang ein anderes Sozzani-Statement: 40 Prozent der monatlich 145.000 Exemplare der „Vogue Italia“ werden außerhalb Italiens verkauft: In diesem Sinne sei die italienische Ausgabe auch grenzüberschreitend und experimentell – anders als die amerikanische „Vogue“, die eine Millionenauflage in einem kulturell relativ einheitlichen Umfeld verlegt.
Würdigung für John Galliano als Designer
Vor einiger Zeit titelte das US-amerikanische Magazin „Newsweek“ nach einem Interview mit Franca Sozzani etwas provokativ und missverständlich, jedenfalls gegen den allgemeinen Konsens der Mode-Branche: „Bring back Galliano“. Sozzani stellte gegenüber der „Huffington Post“ jetzt klar, dass es ihr nicht darum gehe, dass Dior seinem im Februar wegen rassistischer Pöbeleien gefeuerten Chef-Designer „verzeihen“ und ihn zurückholen sollte. Aber – als Designer ist Galliano in ihren Augen ein Genie, dessen Arbeit, Formensprache und Präsenz in der aktuellen Mode- und Designerlandschaft fehlt. Die Nachfolge von Marc Jacobs als Dior-Kreativchef sah sie eindeutig positiv – aus großer persönlicher Sympathie, wegen seiner Kreativität und Qualität als Designer, aber auch deshalb, weil Dior nach der Ära Galliano eine grundsätzlich andere designerische Handschrift brauche.
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