Im Januar 2012 eröffnete das japanische Label „Comme des Garçons“ zwei Stores in der Berliner Linienstraße. Jetzt äußerte sich Adrian Joffe, Geschäftsführer des Unternehmens und Ehemann der Label-Gründerin Rei Kawakubo, im „Zeit“-Interview zum Kreativ-Konzept der Marke, die Berliner Label-Stores und die Chancen von Avantgarde-Mode in Deutschland.
Die Entscheidung, in Berlin die ersten permanenten Stores zu etablieren, hat laut Joffe ihre Wurzeln in der Guerilla-Strategie des Labels, die vor fünf Jahren in Berlin geboren wurde. Ausschlaggebend war damals die kreative Energie der Stadt. Nach dem ersten „Comme des Garçons“-Pop-Up-Store in Berlin-Mitte gab es weltweit 36 weitere temporäre Läden. Mit der endgültigen Rückkehr nach Berlin schloss sich für Joffe und Kawakubo in diesem Jahr ein Kreis.
Stores – Teil der Fashion-Philosophie Rei Kawakubos
Stores sind für Rei Kawakubo Teil eines Gesamtkonzeptes, in Joffes Worten: Sie gestaltet ein Unternehmen und nicht nur ein Produkt. Ein Kleid sieht sie nicht losgelöst von seinen späteren Käufern, ein Store-Format – etwa der Berliner „Pocket Shop“ für die Accessoires des Labels – entsteht oft erst aus dem Produkt heraus und ist in jedem Fall Teil der Fashion-Philosophie der Designerin.
Auch in ihren Kollektionen geht es immer um ein Gesamtbild mit zahlreichen Facetten. Joffe beschrieb als ein Beispiel den Ausgangspunkt der aktuellen Sommer-Linie – Rei Kawakubo reflektierte darin modisch-ästhetisch die Ambivalenz des Hochzeitstages im Leben einer Frau zwischen „Glück“ und „Verlust der Freiheit“.
Deutschland – trendunabhängig und individuell
Deutschland ist in Adrian Joffes Sicht ein schwieriger und sehr preisresistenter, aber auch trendunabhängiger Markt, in dem sich „Comme des Garçons“ vergleichsweise erfolgreich etabliert hat. Hierzulande hat die Marke Kunden in zehn Städten, in England oder Frankreich ausschließlich in den Metropolen.
Diejenigen Deutschen, die sich trauen, Mode als Kulturgut, intellektuelle Leistung und individuelles Statement zu begreifen, seien großartig gekleidet. Die erfolgreiche Kooperation des Labels mit H&M sah er als wichtigen Schritt in diese Richtung für ein breiteres Publikum.
Zukunftsvision – Junge Designer übernehmen Lebenswerk
Zum Abschluss des Gesprächs skizzierte Joffe seine Zukunftsvision für „Comme des Garçons“. Angesichts der sehr selektiven Verkäufe der Kollektionen – ein Kleid Rei Kawakubos verkauft sich pro Saison weltweit zehn- bis zwölfmal – arbeitet man an der Entwicklung verschiedener Marken und bietet jungen Avantgarde-Designern eine Plattform.
Die jungen Kreativen – etwa Junya Watanabe oder Tao Kurihara – sollen die Zukunft der Firma garantieren, wenn die inzwischen 70-jährige Rei Kawakubo sich aus dem Tagesgeschäft zurückzieht. Allerdings – die „Comme des Garçons“-Kollektion wird danach niemand weiterführen.
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