In Paris haben gestern die Haute Couture-Schauen für die Herbst- und Wintersaison 2011/12 begonnen. Der Kreis der Teilnehmer ist wie immer handverlesen – wer kommen darf und damit sozusagen in den Olymp der Modebranche aufsteigt, entscheidet ein im Zweifelsfall restriktiv bewertendes Auswahlkomitee. Ein Novum in diesem Pariser Modesommer ist die Zulassung gleich mehrerer junger Designer neben den „alten“ Traditionshäusern, um frischen Wind in die oft leicht angestaubt wirkende Pariser Haute Couture-Welt zu bringen.
Entsprechend ist auch das Curriculum des viertägigen Events (vom 5. bis 8. Juli) konzipiert: Dior – wegen des im Februar gefeuerten John Galliano im besonderen Fokus der Branche und der Medien – hat eröffnet. Beschließen wird die Schauen am Donnerstag der Tunesier Azzedine Alaia, einer der Newcomer in der allerexklusivsten Haute Couture, gleichzeitig aber ein Altmeister der internationalen Modewelt.
Die Jungstars
Die junge holländische (Gast-) Designerin Iris van Herpen hat am Eröffnungstag mit ihrer Kollektion die Branche regelrecht elektrisiert und brillierte mit fremdartigen Entwürfen, die nach Aussage der 27-Jährigen Dinge aus ihrem vertrauten Kontext lösen sollen. Dabei repräsentierten ihre Kreationen aus Metall, Leder und Zelluloid gleichzeitig erstklassige Mode-Handwerkskunst. Auch ihr italienischer Design-Kollege Giambattista Valli ist ein Teil der Pariser Modernisierungsoffensive – er steht für junge, spielerische Mode und hat bisher vor allem im Prêt-à-Porter-Bereich gearbeitet.
Giorgio Armani designt für Japan
Das Armani-Defilee am heutigen Dienstagmorgen stand vollständig unter dem Zeichen Japans. Der Star-Designer unterstützt derzeit ein UNESCO-Hilfsprogramm für japanische Kinder. Auch seine Kollektion war mit Kirschblütenmustern, Geisha-Elementen bei den Accessoires und asiatischen Schnitten unverkennbar fernöstlich inspiriert. Als Highlight seiner von Eleganz und Exotik geprägten Performance präsentierte er ein Tatami-Kleid aus orangefarbenen Stäbchen.
Dior – erstklassiges Handwerk ohne roten Faden
Die erste Dior-Schau ohne John Galliano bot nach übereinstimmender Ansicht aller Beobachter erstklassiges Handwerk ohne roten Faden. Verantwortet hat die Dior-Kollektion der bisherige Galliano-Assistent und heutige Chefdesigner der Marke „John Galliano“, Bill Gaytten. Herausgekommen ist eine Mischung aus surrealen Entwürfen, die mit geometrischen Formen, Hippielook und opulenten New Look-Kreationen etwas psychedelisch wirkte. Die einzelnen Entwürfe waren spektakulär, aber ohne den inhaltlichen Bogen, für den Galliano früher ganze Kunst-Welten auf den Catwalk holte und als eine Art Katalysator präsent war, blieben sie insgesamt gesehen ein – allerdings höchst kreativer – Kleider-Mischmasch.
Klar war, dass im Umfeld der Pariser Schauen und dem Dior-Part dabei die Frage der Galliano-Nachfolge wieder einmal deutlich formuliert würde – Dior-Chef Sidney Toledano ließ sich allerdings auch jetzt nicht zu einer Antwort hinreißen. Auch wenn Riccardo Tisci (Givenchy) nach wie vor als Favorit gehandelt wird – das Haus Dior will sich Zeit lassen, neben einem neuen Designer-Star als kreativem Kopf ist offenbar auch ein Designer-Kollektiv als Präferenz nicht auszuschließen.
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