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Rei Kawakubo

Bild: comme-des-garcons.com

Zur Pariser Modewoche 1981 betrat die japanische Designerin Rei Kawakubo mit ihren Kreationen erstmals internationales Parkett, nachdem sie in der japanischen Mode-Szene bereits seit 1973 mit einer eigenen Damen-Kollektion präsent war. Ihre „Ästhetik der Armut“ kollidierte von Anfang an mit den europäischen und US-amerikanischen Glamour-Looks der frühen 1980er Jahre. Ihre ungeschminkten, kaum gestylten Models trugen löchrige Pullover und lose Kutten, selbst das Schwarz ihrer Entwürfe war verblichen. Die Pariser Fashion-Presse sprach von „postatomaren Hiroshima-Looks“. Andere Kommentare zeigten sich gerade davon fasziniert.

Geboren wurde Rei Kawakubo am 11.Oktover 1942 in Tokio als Tochter eines Universitätsprofessors. Nach ihrem Kunststudium arbeitete sie ab 1964 zunächst in der Marketing-Abteilung eines Chemie-Konzerns. Nach der damaligen japanischen Tradition war ihre professionelle Zukunft damit schon fast am Ende – normalerweise hätten darauf eine Ehe und ein Leben für Haushalt und Familie folgen müssen. Stattdessen machte Kawakubo ihre Kritik an der japanischen Mode der 1960er und 1970er Jahre zu ihrer designerischen und künstlerischen Berufung. 1969 startete sie mit ersten eigenen Entwürfen, 1973 folgten die Gründung ihres Labels „Comme des Garçons“ und eine komplette Damen-Kollektion.

Intellektueller Minimalismus, Vergänglichkeit und „radikale Mode“

Rei Kawakubos erster Flagship-Store in Tokio öffnete 1976. Sein Interieur – entworfen vom japanischen Architekten Takao Kawasaki – verkörperte mit seinen weißen Kacheln, der Abwesenheit von Dekorationen und nur wenigen ausgestellten Kleidungsstücken die minimalistische Philosophie der Designerin, die seitdem bei allen Comme des Garçons-Stores zum Tragen kommt. Mit ihren Kreationen positionierte sich Rei Kawakubo als die vielleicht konsequenteste Vertreterin der japanischen Fashion-Avantgarde. Mit Yohji Yamamoto, einem weiteren großen Protagonisten des japanischen Avantgarde-Designs, war sie bis zum Beginn der 1990er Jahre nicht nur professionell, sondern auch privat verbunden.

Rei Kawakubos designerische Philosophie zielt auf Vergänglichkeit als den grundsätzlichen Kern der Mode – in der Brache war sie allerdings die erste, die diesen Punkt zum Thema machte. Entsprechend radikal entwirft sie bis heute ihre Kollektionen – in jeder Saison will sie „radikal neue Kleidungsstücke“ in „Formen, die noch nie jemand gesehen hat“, schaffen. Den Hintergrund der Kreationen bildet jeweils ein intellektueller Ansatz – 1997 in ihrer Frühjahrs-Kollektion „Body Meets Dress“ und daran anknüpfenden Bühnenoutfits zum Ballett „Scénarios“ von Merce Cunningham etwa das „Verwischen der Kontaktzone zwischen Körperform und Kleidung“ oder die Ambivalenz der Ehe in der aktuellen Kollektion für den Sommer 2012.

Fashion-Konzept gegen jeden Mainstream

Der Name von Comme des Garçons ist vor diesem Hintergrund Programm – auf Deutsch bedeutet er „wie Jungs“. Rei Kawakubo ist der Meinung, dass „Jungs“ sich durch Mode nicht verkleiden, sondern sie benutzen, um sich selber auszudrücken. Aus ihrer Sicht gilt dieses Konzept auch für Frauen – egal ob Tapferkeit, Fragilität oder eine Kombination von beiden, in ihrer Kleidung muss man all diese Facetten sehen können. Weiblichkeit definiert sich bei Kawakubo nicht über einen Mainstream-Kanon, sondern eine intellektuell individualisierte Formensprache. Wolle kann in ihrem Atelier zu einem Panzer werden, Seide zu knittrigem Papier und Baumwolle zu Lappen – sie stellt damit gängige Wertesysteme insgesamt in Frage.

Ihr Label führt Rei Kawakubo seit Jahren zusammen mit ihrem britischen Ehemann Adrian Joffe – die Kreativität der inzwischen 70-jährigen ist bis heute ungebrochen. Wenn sie sich irgendwann aus dem Mode-Betrieb zurückzieht, wird Comme des Garçons sein Profil allerdings verändern. Kawakubo bietet damit seit langem jungen, japanischen Fashion-Avantgardisten eine kreative Plattform, welche – in welcher personellen Konstellation auch immer – die Marke später als ein kollektives Projekt weiterführen sollen.

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