Die Werkschau der Modedesign-Studenten der Hamburger HAW (Hochschule für Angewandte Wissenschaften) am vergangenen Wochenende war Teil des internationalen Designer- Nachwuchswettbewerbs „Selección Moda Brugal 2011“, dessen Finale im Dezember ebenfalls in Hamburg stattfinden wird. Die Hamburger Modeschule feiert in diesem Jahr ihr 70-jähriges Jubiläum und hat sich in dieser Zeit von einer Gewerbeschule für Mädchen zur anerkannten Designer-Talentschmiede mit solider Handwerksausbildung entwickelt.
Professor Peter Erich Seebacher, selbst HAW-Absolvent und nach einer internationalen Design-Karriere jetzt wieder in Hamburg, kommentierte den Erfolg der Schule auch dahingehend, dass die staatliche Förderung das Privileg biete, freier lehren zu können als die privaten Design-Ausbilder. Der 42-jährige betonte, dass für ihn der Kern guten Modedesigns darin bestehe, „Altes“ in einen neuen Kontext zu stellen.
„Tüdi“-Konzept ist mehr als Altkleider-Recycling
Ein „Tüdi“ ist – zumindest in Ostfriesland – ein Schatz. HAW-Absolventin Clara Langenbach hat beim Entwurf ihrer mit der Note 1,0 bewerteten Abschluss-Kollektion konsequent auf die „Tüdis“ in den Kleiderschränken anderer Leute abgestellt und die ausgedienten Lieblingsteile zu interessanten neuen Modellen verarbeitet. Sie selbst sagte über den Hintergrund ihrer Recycling-Entwürfe, dass sie einfach nichts wegwerfen mag. Für die Kollektion hat sie die Materialien der Altkleider in ihre Bestandteile zerlegt und zu neuen Stoffen verarbeitet.
Neben der Nachhaltigkeits-Idee setzte Langenbach dabei auch auf die Regionalisierung von Mode: die regionale Herkunft der „Grundstoffe“ wird durch die Zusammenarbeit mit regionalen Manufakturen ergänzt. Was auf den ersten Blick abenteuerlich erscheint, bewerteten ihre Lehrer als kreativen und innovativen Ansatz, der in der Branche insgesamt immer mehr an Bedeutung gewinnt und eine mögliche Perspektive von Produktionsabläufen in der Modeindustrie umreißt.
Nachhaltigkeit ohne Öko-Malus
Auch Christina Ruch stellte Nachhaltigkeit in den Vordergrund ihrer Kollektion. In ihren zu 100 Prozent handgearbeiteten Kreationen wurden ausschließlich Naturfasern verarbeitet. Ein heller „Persianer“ aus Hanfwolle aus dem Baumarkt ist wohl ihr derzeit extravagantestes Teil, das zusammen mit einem bodenlangen Rock aus weißer Seide zum stylishen Abendoutfit wurde. Außerdem möchte sie mit ihrem Design einen „zeitfreien“ Stil präsentieren, der gleichzeitig beweist, dass Öko-Mode absolut up to date sein kann. Die 23-jährige, die als ihre Lieblings-Designerin Stella McCartney benannte, sieht sich damit als Vertreterin eines aktuellen Design-Trends, der auf Nachhaltigkeit und Naturmaterialien aufbaut.
Alles in allem – die HAW bietet für angehende Designer einen etwas anderen kreativen Raum, als man es von Design-Schulen normalerweise erwartet. Die Branche selbst honoriert das Konzept. HAW-Absolventen werden von der Modeindustrie gern übernommen, andere – etwa Angelica Blechschmidt, die langjährige Chefin der deutschen „Vogue“ – wurden vor dem HAW-Hintergrund prominent oder führen heute erfolgreich eigene Kreativ-Labels.
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