Die italienische Mode-Journalistin Anna Piaggi – seit den 1960er Jahren ein Star der internationalen Mode-Szene – verstarb vor wenigen Tagen in Mailand im Alter von 81 Jahren. Mit ihren Artikeln hat sie maßgeblich das Image der „Vogue Italia“ begründet und die Karriere vieler heute weltberühmter Designer von Anfang an begleitet. Als Journalistin, Freundin und solvente Sammlerin förderte sie unter anderem das Designer-Duo Dolce & Gabbana sowie die britische – und ebenso wie Piaggi recht exzentrische – Designerin Vivienne Westwood. In den 1970er und 1980er Jahren war sie Karl Lagerfelds prominente Muse. Mit Manolo Blahnik und dem begnadeten Mode-Illustrator Antonio Lopez arbeitete sie ebenfalls zusammen.
Dabei galt Anna Piaggi als die „große Antimuse“ der internationalen Modewelt. Bis kurz vor ihrem Tod erschien sie zu den Runway-Shows der großen Modehäuser in extravagant-provokanten Outfits – übrigens zu jedem Anlass in einem neuen Look. Ihr Markenzeichen waren überdimensionale Hüte aus dem Atelier des Londoner Hutmacher Stephen Jones. Ihr 2006 im Londonder Victoria & Albert Museum ausgestelltes Archiv umfasste – neben 265 Paar Schuhen und 932 Hüten – 2.865 historische Prêt-a-Porter- und Haute-Couture-Kreationen.
Kreative Wurzeln im Surrealismus & den Szenen von London und Paris
Die Wurzeln der Kreativität von Anna Piaggi lagen im „Swinging London“ der 1960er Jahre – Chelsea Antique Market, Petticoat Lane und Portobello Road wurden zu ihrem privaten Fashion-Universum. Bald zählte sie auch zum engsten Kreis Karl Lagerfelds – damals in der Mode-Welt gefeierter Chefdesigner von Chloé – und den prominenten Protagonistinnen eines eleganten Hippie-Styles, der in der aktuellen Vintage-Mode und „Urban Boheme“-Styles gerade sein Revival feiert.
Zu ihrer ästhetischen Basis wurde der Surrealismus. Ihr Medium, sowohl als Journalistin als auch in ihren Fashion-Performances – war die Collage. Ihre exzentrischen Kombinationen aus verschiedenen Schnitten, Grafik-Elementen, Texturen und Einzelstücken aus ganz verschiedenen Stil-Epochen verstand sie als „poetische Synthese“.
Mode-Poetin und Künstlerin
Geboren wurde Anna Piaggi im Jahr 1931 ebenfalls in Mailand in einer gut situierten Familie. Ihre Karriere begann sie – mit der Kenntnis von sechs Sprachen – zunächst als Übersetzerin, Anfang der 1960er Jahre wechselte sie als Mode-Journalistin zur italienischen Frauenzeitschrift „Ariadne“ und bald darauf zur italienischen „Vogue“. In den folgenden Jahrzehnten war sie für alle führenden Medien in Italien tätig, daneben publizierte sie direkt für Mode-Labels wie Missoni oder Prada. In den letzten beiden Jahrzehnten erschien jeder Ausgabe der „Vogue Italia“ eine Doppelseite mit einer Piaggi-Collage zu aktuellen Modethemen.
Mit Anna Piaggi verstarb eine der letzten Poetinnen der Mode – Kleider waren für sie „ihre Freunde“ und damit weitaus mehr als an Kommerz und Lifestyle orientierte Gegenstände. Ihre Verwurzelung in der Kunst und dem Non-Konformismus des 20. Jahrhunderts, ihre Expressivität sowie ihr eigenes Künstlertum werden in der internationalen Fashion-Szene fehlen.
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